Der gute Hirte

Wie Gott dafür sorgte, dass wir zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren

Mitte Mai starteten wir – Rainer WIttenburg und Benny Popa – pünktlich die Überführungsfahrt eines noch sehr guten VW Passat TDI nach Rumänien. Das Auto war unter der Bedingung gespendet worden, dass es noch verkauft, sondern in der Missionsarbeit eingesetzt wird. Gegen 10 Uhr am nächsten Tag konnten wir bereits die Grenze nach Rumänien überqueren.

Irgendwann während der Fahrt kamen wir darauf zu sprechen, dass vor vielen Jahren mit den Kindern aus dem Kinderheim „Betania“ in den Sommerferien Zeltlager durchgeführt wurden. Dazu war ein Grundstück in den Karpaten und ein als Küchenwagen umgebauter LKW-Auflieger gekauft worden, der das ganze Zeltlager versorgte. „Ob wohl von dem Auflieger noch etwas übrig ist nach so vielen Jahren?“ fragten wir uns. Benny regte an, ob wir einen Abstecher dorthin machen sollten, um zu schauen. Ich war nicht sehr begeister, schließlich war ich inzwischen seit 30 Stunden auf den Beinen und mindestens 6 Stunden lagen noch vor uns. Da aber der Umweg überschaubar war, fuhren wir in die Berge und fanden bald das besagte Grundstück. Wir besichtigten den Auflieger und fragten uns, wie wir diesen vom Grundstück wegbekommen könnten. Mittlerweile waren die Räder halb in die Wiese eingewachsen, stark verrostet und natürlich längst sämtliche Druckschläuche, die zum Lösen der Bremsen erforderlich wären, abmontiert und mitgenommen worden.

Bei unseren Beratungen hörten wir auf einmal, wie uns ein Mann rief. Es war ein Hirte, der am oberen Ende der Bergwiese stand und auf uns wartete. Der Hirte, nach seinen Angaben 70 Jahre alt, freute sich riesig über Besuch und wir durften mit in seine Hütte kommen, um von dem frischen Schafskäse zu probieren, den er hier herstellte. Sehr schnell erfuhren wir, dass wir vor Jahren das Grundstück von ihm und seinem Bruder gekauft hatten. Als wir auf den Auflieger zu sprechen kamen, fragte er, ob er den uns abkaufen könne, um ihn als Unterstand für seine Schafe zu nutzen. Wir waren überwältigt, denn beide Probleme – der unmöglich scheinen Abtransport des Aufliegers und seine anschließende Entsorgung – wurden so innerhalb einer Minute gelöst! Nun möchte er mit seinem Bruder sprechen, ob sie das Grundstück nicht wieder zurückkaufen.

In der Hütte hing ein sehr altes vergilbtes Schwarz-Weiß-Bild mit einem christlichen Motiv, das wahrscheinlich von seinen Eltern stammte. Als Benny ihn danach fragte, ob er auch eine Bibel habe, bejahte er dies. Auf die Frage: „Liest Du auch darin?“, lautete jedoch seine Antwort: „Nein, eher nicht“ (wobei wor nicht sicher sind, ob er sie wirklich lesen könnte).

„Kennst Du denn die Geschichte vom guten Hirten aus der Bibel?“, erkundigte sich Benny weiter. Als unser rumänischer Hirte erwiderte: „Nein, steht so etwas da drin?“, begann Benny, ihm die Geschichte von dem Hirten mit den 100 Schafen zu erzählen, von denen eines verloren ging. Er fragtge den Hirten, ob ihm denn dies auch schon mal passiert sei. „Oh ja“, meinte dieser. „Wie viele denn in diesem Jahr?“ fragten wir weiter und erhielten die Antwort 35 oder 37. „So viele!“, stellten wir erstaunt fest.

Und dann erzählte der irte, dass die Bären regelmäßig kommen und Schafe reißen – zuletzt neun Schafe in einer Nacht. „Was machst du dann, verbarrikadierst Du Dich dann in deiner Hütte?“ – „Nein, ich nehme meine Taschenlampe und blende den Bären immer wieder, bis er endlich flüchtet!“ Er schilderte uns auch, wie ihm neulich dabei die Taschenlampe aus der Hand gefallen war und dabei sofort ausging. Zum Glück hatten zwei andere Hirten den Lärm gehört und waren herbeigeeilt, um die Bären mit ihrem Taschenlampen zu vertreiben.

„Bestrafst du das Schaf, wenn es sich verirrt hat und Du es wiederfindest?“, wollten wir weiter von ihm wissen. „Nein, Schafe sind so dumm, die bringe ich zur Herde zurück“, entgegnete er uns. Und dann erzählte er von einem Schaf, das bei kaltem Regenwetter verloren ging. Als er es endlich gefunden hatte, war es so steif gefroren und nass, dass er es zurück tragen musste. Tatsächlich nahm der Hirte es dann in der Nacht mit in sein Bett und wärmte es mit seinem Körper, so dass es am nächsten Morgen wieder soweit hergestellt war, dass es zur Herde zurück konnte. Somit erzählte der alte Hirte sich selbst das Evangelium, ohne es zu merken. Benny erklärte ihm dann, dass der gute Hirte von dem die Bibel berichtet, Jesus Christus ist, der für uns Menschen so handelt, wie der alte Hirte es für seine Schafe tat.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir schon über zwei Stunden bei dem Hirten und mussten allmählich los. Benny fragte ihn, ob wir zum Abschluss noch beten dürften. Sofort wollte sich der alte Mann auf den matschigen Boden knien, nur mit einer schnellen Reaktion konnten wir ihn davon abhalten, indem wir ihm erklärten, dass Gott das Herz und nicht die äußere Handlung ansieht. Bei dem anschließenden Gebet weinte der alte Mann sehr. Es schien, dass ihm das erste Mal erzählt wurde, wer dieser gute Hirte ist, der auf uns aufpassen möchte, wenn wir ihn denn unseren Hirten sein lassen.

„Kommt bitte bald wieder, dann schlachte ich auch ein Lamm für euch!“, bat er uns. Das wollen wir tun, nicht wegen des Lammes, sondern wegen des Hirten …